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Joachim Ringelnatz

Der Kabarettist und Dichter Joachim Ringelnatz (eigentlich Hans Bötticher) wurde am 7. August 1883 in Wurzen bei Leipzig als Sohn des Jugendschriftstellers Georg Bötticher geboren. Nach einer bewegten Kindheit erhielt er mit 25 Jahren die Gelegenheit, in dem Künstlerlokal »Simplicissimus« in München-Schwabing eigene Verse vorzutragen und wurde dort zum »Hausdichter«. Seine Veröffentlichungen erschienen alle nur in kleinen Auflagen. Seit 1919 nannte er sich nach dem seemännischen Namen für das glückbringende Seepferdchen Ringelnatz. Im Jahre 1920 erhielt er ein Engagement an der Berliner Kleinkunstbühne »Schall und Rauch«. Dort und auch auf seinen Tourneen durch die Kabaretts im ganzen deutschsprachigen Raum trug er eigene Dichtung vor. 1933 erhielt er unter der Naziherrschaft Auftrittsverbot in Deutschland und starb am 17.11.1934 verarmt in Berlin.

Liedchen

aus 103 Gedichte
Die Zeit vergeht.
Das Gras verwelkt.
Die Milch entsteht.
Die Kuhmagd melkt.

Die Milch verdirbt.
Die Wahrheit schweigt.
Die Kuhmagd stirbt.
Ein Geiger geigt.

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Sehnsucht nach zwei Augen

(September 1930)
Diese Augen haben um mich geweint.
Denk ich daran, wird mir weh.
Wie die mir scheinen und spiegeln, so scheint
Keine Sonne, so spiegelt kein See.

Und rührend dankten und jubelten sie
Für das kleinste gute Wort.
Diese Augen belogen mich nie.

Nun bin ich weit von ihnen fort,
Getrennt für Zeit voll Ungeduld.
Da träumt's in mir aus Leid und Schuld:
Daß sie noch einmal weinen
Werden über meinen
Augen, wenn ich tot bin.

Überall

überall ist Wunderland
überall ist Leben
Bei meiner Tante im Strumpfenband
wie irgendwo daneben.
überall ist Dunkelheit
Kinder werden Väter.
Fünf Minuten später
stirbt sich was für einige Zeit.
überall ist Ewigkeit.

Wenn Du einen Schneck behauchst
Schrumpft er ins Gehäuse,
Wenn Du ihn in Kognak tauchst,
Sieht er weiße Mäuse.

Zitate von Ringelnatz

Der Stein der Weisen sieht dem Stein der Narren zum Verwechseln ähnlich.

Die Stunden, nicht die Tage, sind die Stützpunkte unserer Erinnerung.

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